Musikelemente in Plexiglasobjekten
Das Modell einer Struktur mit eigener Gesetzmäßigkeit, beispielsweise der Anordnung der Elemente, kann als Grundlage in Musik, Malerei, Literatur und Naturwissenschaften sichtbar werden.
Bei den Plexiglasobjekten werden Elemente aus der Musik analog und assoziativ übertragen.
Verschiedene Arten und Farben von Plexiglas finden dabei Verwendung.
Durch die Bearbeitung des Materials entstehen neuartige Wirkungen, die auch von wechselnden Spiegelungen der Umgebung abhängig sind und den Ausdruck von »Musik im Raum« vergegenständlichen.
Formen, Strukturen verdichten sich und lösen sich schwebend, mit dem Licht, Schatten und dem Betrachtungswinkel spielend, wieder auf. Als Konstante gibt es in diesen Bildern eine gestaltete Realität der »visuellen Klangräume« mit einer von Bild zu Bild wechselnden Ästhetik.
Bei der Serie »Compositum« wird zusätzlich durch die Farbe in den Objekten ein neues kompositorisches Stilmittel verwendet. In diesen Werken ist der Übergang vom zweidimensionalen Tafelbild zur dreidimensionalen Plastik zu erfahren.
Wenn sich unsere Augen ergötzen, fangen wir an, auf eine neue Weise zu hören (aus einem Aufsatz von Paul Klee)
Aleatorik als Gestaltungsprinzip
Wichtig ist, dass der Interpret oder der Leiter des Ensembles während der Aufführung entscheidet, welche Elemente zu welchem Zeitpunkt ins Spiel einzubeziehen sind. Die Zufallskomponente im Rahmen festgelegter Vorgänge ist also bei der Aleatorik entscheidend.
In der Literatur gibt es ähnliche Verfahren: bereits um 1916 die Simultantexte der Dadaisten, Würfeln um Wörter und deren Anordnung als Gesellschaftsspiel, um 1960 das cross reading in England, bei dem zwischen Textabschnitten kombinatorisch hin und her gelesen wird oder Textseiten zerschnitten und neu zusammengesetzt werden. Um diese Zeit hat man auch den Computer eingesetzt, der aus eingegebenen Wörtern und Sprachregeln Texte nach dem Zufallsprinzip herstellte. Im Film und in der Malerei finden sich wenige aleatorische Ansätze. Das Neue in den aleatorischen Bildern der Künstlerin ist nun die Anwendung des gelenkten Zufalls als ästhetisches Prinzip. Die Bilder sind nicht intensional anlegt, also beispielsweise nicht auf Gegenständlichkeit oder Wirkung hin konzipiert, können aber dennoch Reaktionen wie Erlebnishaftes, Emotionales oder Assoziatives beim Betrachter auslösen. Die Künstlerin legt strukturierte Elemente beliebig im Bild fest. Solche Strukturen sind u. a. spezifische Schichtungen, Verflechtungen, Bewegungen, Schwung- und Kreiselemente, unterschiedliche Farbdynamik. Da die Elemente in beliebiger Anordnung zu einander stehen, kann der Blick des Betrachters von einem Punkt im Bild ausgehen, in beliebiger Abfolge weiter gehen, die Richtung wechseln, verweilen, zurück kehren – so wie er will. Der Betrachter vollzieht also einen Entstehungs- oder Gestaltungsprozess für sich eigenständig nach, indem er entscheidet, welche Bildfelder er in welcher Reihenfolge auswählt.
Jedes dieser Bilder enthält eine eigene Grundfärbung, charakteristische Elemente und Strukturen, ist somit eigenständig. Da die Bilder aber durch aleatorisch bedingte Umgestaltung eines genuinen Entwurfs (Urbild) entstanden sind, zeigen sie vielleicht doch gewisse Ähnlichkeiten – auch hier ist also die Aleatorik wieder im Spiel.
von K. M. Fruth
Das Kreuz als Verbindung zwischen Himmel und Erde
Kreuz – Kreuzweg – gekreuzte Wege
Das Kreuz als eines der ältesten Symbole und Heilszeichen der Menschheit verkörpert in den ältesten Kulturen und Religionen u. a. das All, die Fruchtbarkeit, das Glück, die Jahreszeiten, das menschliche Leben und Schicksal, die Sonne und hat viele Formen und Namen, wie z. B. das Andreaskreuz, das Malteserkeuz oder das Schächerkreuz.
Die christliche Theologie beschreibt das Kreuz als Symbol und Zeichen des durch Gott im Tod und in der Auferstehung Jesu Christi gewirkten Heils. Als Altarkreuz ist es ab der Mitte des 5. Jh. in Syrien und ab 1200 in der lat. Kirche als Passionskreuz bekannt.
In der Liturgie der kath. Kirche, der anglikanischen Kirche und der Ostkirchen ging das Kreuz als Gebärde des Gebets und Ausdruck persönlicher Frömmigkeit ein. Die lutherischen Kirchen verwenden das Kreuzzeichen bei kirchlichen Amtshandlungen (Taufe, Konfirmation, Trauung, Bestattung).
Der »Wort vom Kreuz«- Begriff, von M. Luther geprägt, ist für die reformierte Theologie bestimmend geworden und steht heute für die christliche Nachfolge auch im Leiden.
In der bildenden Kunst ist das Kreuz Jesu Christi zentrales Thema der christlichen Ikonografie und die wichtigste Darstellung innerhalb der Passion.
Der Zyklus »Kreuze« stellt unterschiedlichste Kreuze im Holzschnitt und Materialdruck dar.

Kreuz III , Öl auf LW. 100 x 100 cm, 2015
Seit dem Mittelalter ist die Abschreitung des Kreuzwegs eine in der Passionszeit ausgeübte Andachtsform. Der erste deutsche Kreuzweg wurde Ende des 15. Jh. am Jerusalemberg in Lübeck errichtet. Der Kreuzweg ist eine Meditation über den Sinn des Leidens Jesu.
Im Gehen und Betrachten entsteht eine Meditation auch über den eigenen Leidensweg bzw. Nöte, Schmerzen, Wunden, Verletzungen. Betrachtungen im Gehen haben eine lange Tradition.
Im 20. Jh. erhält das Thema neue inhaltliche Bezüge: Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt, individuellen und sozialen Nöten (Slevogt, Beckmann, Dix)
Die Serie »Das Kreuz ist zerbrochen« steht für die Zuversicht.
Unbewusst haben glaubende Menschen in den 14 Kreuzwegstationen Bilder für die eigenen Lebenssituationen geschaffen. Sieben gilt als heilige Zahl, die Göttliches und Menschliches verbindet. 14 ist eine archetypische Zahl (14 Nothelfer).
Der »Kreuzweg« besteht aus 14 Bildern, auf denen jeweils ein Stück des Kreuzes zu sehen ist, die aber auch als eigenständige abstrakte Arbeiten gelten können.
Bei vielen Völkern gilt die Kreuzungsstelle von Wegen (Wegkreuzung, Scheideweg) als Stätte besonders machtvoller Wirksamkeit übernatürlicher Geister.
Gekreuzte Wege gibt es aber auch im übertragenen Sinn. Begegnungen unterschiedlichster Menschen und Lebensverhältnisse – deren Wege sich kreuzen, führen oft zu Veränderungen des eigenen Weges. Kreuzungen verlangen Entscheidungen zu treffen, neue Perspektiven zu sehen und zu suchen.
Dazu entstanden Arbeiten mit jeweils vier quadratischen Bildern, die die verschiedenen Lebensbereiche versinnbildlichen und so angeordnet sind, dass in deren Mitte wieder ein Kreuz entsteht.
Das Kreuz hat bis in das 21. Jahrhundert nichts von seiner starken Wirkung und Bedeutung verloren und fordert auch im künstlerischen Umgang zu immer neuen Umsetzungen heraus.
Inspiriert durch den Blues werden Klänge zu Farb- und Formstrukturen –
Der Blues ist ein Abbild des Lebens
Inspiriert durch den Jazz, insbesondere den Blues, wurden Klänge zu Farb- und Formstrukturen.
Um 1560 wurden die ersten schwarzen Männer und Frauen von der Westküste Afrikas nach Amerika verschleppt. Auf sie wartete meist ein menschenunwürdiges Leben unter der Peitsche weißer Kolonialherren. Im milden Klima von Spanisch Amerika und den Südstaaten waren riesige Baumwoll- und Tabakplantagen entstanden, die sich nur mit härtestem körperlichen Einsatz bewirtschaften ließen. So begannen vor allem Franzosen und Engländer einen schwunghaften Handel mit verschleppten Arbeitssklaven, mit schwarzem Elfenbein.
Die eigene Rechtlosigkeit in der Neuen Welt, im Land der Freien, muss die schwarzen Sklaven wie der Inbegriff der Ironie angemutet haben: Auf den Sklaventransporten verloren die meisten nicht nur ihre Freiheit, sondern auch ihre Sprache und ihre Kultur.
Die Hinwendung zum Christentum mag da oft Trost und Kraft gespendet haben, denn die christlichen Grundgedanken waren den meisten Schwarzen keineswegs fremd. In zahlreichen afrikanischen Riten war die Idee vom Erlösungstod eines Menschen, Auferstehung und Wiedergeburt bereits vorhanden. Bis zu einem gewissen Grad lebten die alten religiösen Bräuche also in einem neuen Gewand weiter, wenn die Sklaven zum Christentum übertraten.
In Afrika aber war jede Art von religiösem Brauchtum auch eng mit Gesang verknüpft gewesen. Überhaupt hatte Musik nicht der Unterhaltung gedient, sondern war ein Mittel, um mit den göttlichen Mächten in Kontakt zu treten. Die einfachste und ursprünglichste Form der instrumentalen Begleitung war dabei das rhythmische Zusammenschlagen der Hände.
Diesen syncoped Beat brachten die gefangenen Afrikaner mit in die Neue Welt und pflegten ihn in ihren Gottesdiensten. Dort kamen die afrikanischen Rhythmen im Lauf der Jahrhunderte auch mit europäischer Musik in Berührung: zunächst mit den Kirchen- und Volksliedern der ausgewanderten Europäer, später zum Beispiel auch mit Melodien aus französischen und italienischen Opern. Alle diese Einflüsse verschmolzen zu einem ganz eigenen Musikstil, der wiederum religiöse Gesänge und Arbeitslieder, sogenannte Worksongs, hervorbrachte. Texte und Melodien wurden dabei meist spontan erfunden, weiterimprovisiert und variiert. Häufig ergab sich dabei auch eine Art Frage- und Antwortspiel, wobei die einzelnen Textpassagen wie rhythmische Formeln wiederholt und abgewandelt wurden.
Diese Lieder sind die ersten Anfänge des Blues, der heute bekanntesten afro-amerikanischen Volksmusik. Die einzelnen Strophen eines Bluessongs sind 12-taktig, unterteilt in drei Verszeilen zu jeweils 4 Takten. Melodisch und textlich ist die zweite Verszeile meist eine nur geringfügig veränderte Wiederholung der ersten, die dritte Verszeile beantwortet die ersten beiden, wie in folgendem Beispiel deutlich wird:
I´m gonna lay my head on some railroad line
(Ich leg meinen Kopf auf ein Eisenbahngleis)
I´m gonna lay may head on some lonesome railroad line
(Ich leg meinen Kopf auf ein einsames Eisenbahngleis)
And let the 2.19 train just pacify my mind.
(Und verschaff mir Ruh durch den Zug um 2.19 Uhr).
Obwohl dabei häufig das Schicksal der Schwarzen beklagt wird, ist der Blues aber keinesfalls ein weinerliches Sich-Selbst-Bemitleiden. Im Blues stecken mindestens ebensoviel Kraft, Ironie und Lebensfreude wie Melancholie und Bitterkeit. Der Blues ist ein Abbild des Lebens, der Gesellschaft, ja letztlich sogar ein Abbild der menschlichen Seele.
Die Bilder und Skulpturen von Heidemarie Fruth nehmen die unterschiedlichsten Themen des Blues auf und führen sie weiter. Musik und Text übersetzt die Künstlerin in Form und Farbe. Mal verspielt und heiter, mal bittersüß spiegeln ihre Werke den Alltag der Menschen, Verletzungen, Wut und Trauer, aber auch Träume und Hoffnungen.
von Pia Fruth